JvM Green Papers #11
ACCESS ALL AUDIO
Brand-Building abseits des Bildschirms
Themenexpertise:Audio, Brand
Audio erschließt immer mehr Momente des Alltags. Deswegen stehen Marken vor einer doppelten Herausforderung – sie müssen relevante Augenblicke identifizieren und echten Mehrwert schaffen. Aber wie? Zum Beispiel anhand der JvM-Audio-Journey, meinen Julian Krohn und Paul-Christian Brenndörfer im dritten und letzten Teil ihres Plädoyers für Audiomarketing.
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Download Artikel (PDF, 5098 KB)Vor wenigen Wochen sorgte das erste soziale Netzwerk mit „Audio only“ für Aufsehen. Abgesehen von Voice war Audiomarketing bis dahin eine Einbahnstraße. Seitdem zeigt Clubhouse, wie Social Media als Audioanwendung funktioniert.
Um den Hype um Clubhouse zu verstehen, genügt bereits eine kurze Analyse der Mediennutzung: Die Bildschirmzeit der allermeisten Menschen erstreckt sich mittlerweile auf den überwiegenden Teil des Tages. In der letzten Dekade war Marketing deshalb vor allem mit der Aufgabe beschäftigt, die richtige Botschaft auf dem richtigen Bildschirm auszuliefern. Laut BVDW 1 liegt die Bildschirmzeit der Deutschen schon länger über 12 Stunden am Tag.
Mehr ist inzwischen also kaum möglich. Deswegen wächst der Gegentrend. Laut Bitkom 2 versucht sich jeder vierte Nutzer am Konzept des „Digital Detox“, versucht also, sich der totalen Digitalisierung vieler seiner Lebensbereiche zu entziehen und sich vom Bildschirm abzuwenden. Das wirft Fragen auf, viele Fragen, aber vor allem eine zentrale: Wie können Marken in der bildschirmfreien Zeit dennoch mit ihrer Zielgruppe in Berührung kommen?
Die Idee der Audio-Journey
Doch beginnen wir von vorn: Anders als Bildschirmanwendungen fordert Audio nicht immer die volle Aufmerksamkeit. Sport, Kochen, Spaziergänge – dabei benötigen Nutzerinnen und Nutzer oft keinen Bildschirm. Bildschirmfreie Momente nehmen bei Userinnen und Usern immer mehr zu, sind aber schwer adressierbar. Deshalb müssen Marken, die Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollen, nicht nur die Wünsche und Bedürfnisse ihrer Zielgruppe gut kennen – sondern auch ihren Alltag.
Diesen Alltag betrachten wir in der JvM-Audio-Journey in gewisser Weise als Spielfeld – wir erkunden nicht nur demographische und psychographische Merkmale von Zielgruppen, sondern identifizieren zudem auch, wer, wann in welchen Situationen Audiomedien bevorzugt konsumiert. Mittels dieser aus Alltagsmomenten bestehenden Kette versuchen wir Situationen zu finden, in denen die jeweilige Marke glaubhaft auftreten kann, und zu verstehen, welche Bedürfnisse Konsumentinnen und Konsumenten darin haben. Auf dieser Grundlage entsteht nicht nur Mehrwert für Marken. Sondern auch für Menschen.
Das aber setzt einiges voraus: Einen realen Mehrwert schafft nur, wer in der bildschirmfreien Zeit nicht als Eindringling empfunden wird. Wer das gewährleisten will, sollte vor allem seinen Audiowerkzeugkasten prüfen (siehe unten): Sonic Branding (also die Übersetzung der Marke in Audio) bildet das Fundament. Darauf stehen die übrigen Tools, Audio-Ads, Audio-Content (etwa Podcasts), Voice – und nun auch Social Audio als fünftes Element des Audiomarketings.
Zudem ergibt die Suche nach den passenden Audio-Journey-Momenten oft mehrere Treffer: Wer dann also strategisch richtig entscheiden will, braucht Ressourcen und Durchhaltevermögen. Ein neuer, voicebasierter Service schafft zwar einen hohen Mehrwert, bringt jedoch nicht nur hohe Initialkosten mit sich, sondern muss auch dauerhaft betreut werden. Nur dann entfaltet er seine Wirkung, erst dann überdauert der Mehrwert.
Beispiel Clubhouse: Hype oder Held?
Nehmen wir das Beispiel Clubhouse. Es existiert nur live und ist somit das Gegenteil von On-Demand-Services. Kritiker sehen darin kein Potenzial, sondern nur Hype. Deshalb prognostizieren sie Clubhouse ein schnelles Ende. Warum? Sein linearer Charakter sei nicht zeitgemäß. Das mag ein berechtigter Einwand sein. Was sie jedoch nicht sagen: Clubhouse ist Austausch auf Augenhöhe, anders als in den üblichen Kommentarspalten von Facebook & Co. Clubhouse fügt der Social-Media-Welt einen neuen Körpersinn hinzu, den Hörsinn, und bietet so einen faktischen, realen, echten Mehrwert, der endlich Nähe und Emotion ermöglicht. Wird dieser Mehrwert von vielen als groß genug erkannt, wird sich die App sicher etablieren. Ist er es nicht, kann der Erfolg aber durchaus anderen digitalen Plattformen mit der Integration einer Social-Audio-Lösung gelingen.
Unabhängig von Erfolg oder Misserfolg von Plattformen wie Clubhouse ist das Potenzial von Audio unstrittig. Digitale Medienangebote sind ohnehin nie homogen: Auch Inhalte in Snapchat und Instagram Stories verschwinden zumeist nach 24 Stunden; Twitch-Erfolge wie Knossis „Horrorcamp“ erscheinen als Livestreams in Überlänge und erst später als Best-of auf YouTube. Was wir damit sagen wollen: Das alles sind Details, die ein Angebot verknappen oder reizvoll halten können – der Erfolg einer Plattform oder eines Formats steht und fällt letztlich mit der Qualität der Inhalte. In ihnen liegt der Mehrwert, der das erste Interesse weckt und aus dem später eine Community entsteht. Denn nur sie ist es, die ein Medium für Menschen und Marken langfristig attraktiv macht.
Weshalb der Einstieg schwerfällt
Was also können Marken aus all dem lernen? Zum einen ist Social Audio eine neue Möglichkeit, Audioinhalte zu erfinden – durch das interaktive Element unterscheiden sie sich von Podcasts. Eine Marke, deren Themen durch Dialog besser werden, kann in Social Audio Mehrwert schaffen. Egal welche App am Ende das Rennen macht. Zum anderen zeigt sich an Clubhouse selbst, dass Angebot und Alltag zusammenpassen müssen. Denn durch die Pandemie gibt es gerade mehr Momente als sonst, in denen Audio wachsen kann. Doch auch in Zukunft gilt die Maxime: „Unterhalten, unterstützen – oder untergehen!“ Wer danach handelt, wird auch in der bildschirmfreien Zeit bestehen.
Spielte Audio im Marketing lange eine untergeordnete Rolle, ist nun für Unternehmen und Marken die Aussicht darauf, sich im bildschirmfreien Teil des Lebens zu etablieren, besonders reizvoll: Audiomedien leisten hervorragende Markenarbeit, wenn man sie versteht und richtig einsetzt. So zeichnet sich Erfolg in diesem Bereich oft dadurch aus, dass Hörerinnen und Hörer besonders lange dabeibleiben – und eher selten durch Klicks. Das steht im Kontrast zur performanceorientierten Digital-Routine, ist angesichts häufig vernachlässigter Imagemaßnahmen aber ein wichtiger Ausgleich in der Kommunikation.
Wir meinen, in Zeiten der digitalen Entgiftung gehört Audiomarketing zum Marketingmix – mehr denn je. Voraussetzung dafür ist: Experimentierlust und Offenheit.